C & C – mit beiden Begriffen verbindet man zu Recht Gefahr und höchste Risiken für jeden Menschen, die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Politik.  

Beide kümmern sich nicht um Grenzen, beide sind „einfach Naturgewalten“, die uns auf Grund ihrer Komplexität mit dem Unberechenbaren konfrontieren (man kann zwar zählen und messen aber nicht vorweg exakt Auswirkungen berechnen, auch die 1,5 Grad Temperaturerhöhung). Das löst höchste Unsicherheit aus. Jeder Einzelne, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien, eigentlich alle sind gefragt, Wege zur Bewältigung, Wege zum Erhalt eines lebenswerten Lebens zu entwickeln. Die Politik und Arm in Arm mit ihr das Rechtswesen, sind besonders gefordert. 

Der Unterschied, der einen Unterschied macht

Es ist ein gewaltiger Unterschied im Vorgehen zu beobachten – ob es um Corona oder um Climate geht. Die Reaktionen auf Corona – auch wenn sie mit Skepsis begleitet werden – haben in den demokratisch verfassten Ländern eine Eingriffs- und damit Gestaltungskraft des politischen Systems gezeigt, wie ich es in meinem Leben noch nicht erfahren habe.  
Darin liegt für mich eine große Chance für Climate, und damit für die Menschheit
Es geht aber nicht darum, die Steuerungsmethoden einfach zu übertragen. So ist z.B. der Rhythmus – kurzfristige Analyse / rasche Bewertungen / neue Restriktionen / neue Lockerungen / regionale Differenzierungen, Ampeln für Corona – sinnvoll, bei Climate wäre er völlig fehl am Platz.
Was macht nun den Unterschied aus zwischen der Bedrohung durch die Pandemie und der Bedrohung der Lebensgrundlage durch die Klimaveränderung und der mit ihr einhergehenden Katastrophen?
Was macht die politischen/rechtlichen Corona-Interventionen möglich, die trotz Kritik mit einer hohen Akzeptanz rechnen können? 

Ich vermute, dass folgende Dimensionen bei Corona zusammenwirken: 

  • Körperliche, emotionale Betroffenheit, Angst, Unsicherheit und zugleich die Hoffnung auf das baldige „Verschwinden“ der Gefahr.
  • eine direkt körperlich erlebte Bedrohung durch dieses Virus.
  • eine unmittelbare Konfrontation mit der ‚Versehrbarkeit‘  und der irritierenden Sichtbarkeit des Todes.
  • Der Schutz ist nur – wie bei jedem gefährlichen Virus – über einen radikalen Eingriff in die Intimität zu gewährleisten. Nähe – auch unter Freunden – wird zur Bedrohung.
  • Paradoxien werden Teile des Alltags, soziale Nähe oder zumindest Verbundenheit lässt sich nur über die soziale Distanzierung arrangieren. 
  • Verleugnen ist kaum möglich, außer man versucht es über Verschwörungsideen. 

Der Kampf um Aufmerksamkeit

Und es scheint mir noch paradoxer:  
Das Virus ist nicht zu sehen, nicht zu riechen, nicht zu spüren – außer man ist infiziert und hat auch Symptome. Die Auswirkungen des Klimas sind eigentlich viel evidenter, allgemeiner, sichtbarer: den Einfluss auf das Wetter, auf Temperaturen spürt man – zumindest in nicht-klimatisierten Räumen. Überschwemmungen, Vermurungen, die zurückgegangenen Gletscher, die dürren Felder, die brennenden Wälder, … sieht man. 

Und dennoch tun wir uns seit Jahrzehnten so schwer, das Wissen in erforderliche Maßnahmen umzusetzen; es wird – wenn überhaupt – nur zögerlich gehandelt, darf die Wirtschaft, darf unser Konsumleben weitergehen wie bisher. Dann taucht plötzlich COVID 19 auf und Länder, Unternehmen, das gesellschaftliche Leben kann stillgelegt, stabile Regeln radikal verändert, Grundannahmen (Budgetpolitik) umgebaut werden. 

Vom Abstrakten zum Konkreten

Daraus ergibt sich für mich die Frage, wie müssen wir die Erfahrungen, die Erzählungen (Narrative) zum Klimaprozess ändern, damit unsere Körper und damit unsere Gefühle, unser Denken und Bewerten Resonanzen erzeugen, die uns bereit machen, Verhalten und Werte radikal zu ändern? 
Die 15- bis 25-Jährigen scheinen bereits andere Wahrnehmungs- Gefühlsqualitäten entwickelt zu haben – sie spüren die Bedrohung, das Überlebensrisiko. Für die Mehrheit der älteren Generationen ist es eine – wenn es nicht sogar geleugnete – abstrakte Erkenntnis. Das Wissen der Wissenschaft wird zur Kenntnis genommen, es berührt aber nicht und kann daher keine Energie “erzeugen”. 

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: es gibt das Versprechen, wir werden das verdammte Virus besiegen (Kriegsmetapher), es wird Medikamente, Impfstoffe geben und dann werden wir leben können, wie vor dem Februar 2020. 
Dieses Versprechen gibt es beim „Kampf“ gegen das Klima nicht. Die zivilgesellschaftliche Bewegung
>system change – not climate change< macht dies in ihrem Namen schonungslos deutlich.  
Es gibt kein Zurück zum Gewohnten, sondern nur ein Nachvorne zu neuen Lebens- und Wirtschaftsformen. Die damit verbundenen Szenarien zeichnen sehr unterschiedliche, tw. kaum vorstellbare Bilder und begeistern noch nicht allzu viele. Dass etwas zu tun wäre, landet, wenn es gut geht, bei einer 20% Akzeptanz. Das ist weder mehrheitsfähig noch trägt es politische Eingriffe und rechtliche Maßnahmen (siehe die CO2-Bepreisung). 

Was tun?  

Wenn man, so wie wir bei FLIPSITE, überzeugt ist, es ist höchste Zeit für nachhaltige, enkeltaugliche, gesellschaftlich verantwortungsvolle Unternehmen, dann kann man nicht auf die Politik „warten“, sondern muss in den gegebenen Rahmen initiativ werden. Ich baue auf persönlich kleine Schritte, auf die Klugheit und Innovationsfähigkeit von Unternehmen, auf neue Geschäftsmodelle und Unternehmensprozesse, auf kraftvolle, die Politik verändernde Interventionen durch Lobbying, durch die Arbeit von Verbänden oder solche Aktionen, wie die Gründung der „CFO Taskforce Introduced Principles on SDG Integrated Investments and Finance“.  

Das sind Maßnahmen, die auch emotional berühren, die können Hoffnungen mobilisieren und daran erinnern, es gibt die Selbstentwicklungs-, die Selbstheilungskräfte von sozialen Systemen.