Entscheidet sich ein Unternehmen, seine Geschäftstätigkeiten entsprechend der SDGs nachhaltig(er) zu gestalten, bedeutet dies auch, dass sich die Organisation verändern muss. Führung, Entscheidungsfindung, Zusammenarbeit, Kommunikation werden sich an veränderten Prämissen und Werten zu orientieren haben. Strukturen und Abläufe werden angepasst oder neugestaltet werden müssen.

Dieser Blog beschreibt einige Facetten aus Veränderungen, die nicht nur eine neue Variante des Bisherigen hervorbringen wollen (oder sollen), sondern Bestehendes wirklich wandeln, also transformieren wollen. Der Fokus liegt auf Organisationsentwicklung.
Als Führungsverantwortliche werden Sie besser verstehen, mit welchen Dynamiken und Themen Sie und Ihr Team ziemlich sicher dabei zu tun haben (werden), und wie Sie bestärkt daraus hervorgehen können.
Springen wir also gleich mitten hinein.

Begegnung mit Ungewissheit

Eine Transformation der Organisation oder einzelner Teilbereiche ist – auch bei klaren Entscheidungen und zukunftsgerichtetem Engagement – begleitet von Ungewissheit und Unsicherheit. Es sind unsere menschlichen Reaktionen, wenn wir noch nicht wissen, was die nächsten Schritte sein können, welche Wirkungen uns erwarten werden, ob wir ‚richtig‘ entschieden haben. Und wenn wir schon voller Tatendrang in den Startlöchern stehen. Sie sind ebenso treu wie legitim.

Eine Transformation bringt immer gewisse Chaos-Phasen mit sich, darauf kann man sich verlassen.
Wie kann Führung diese wirksam nutzen und gestalten?

Kontingenz – oder die Qual der Wahl?

Veränderungssituationen wie beispielsweise die Startphase eines neuen oder reorganisierten Bereichs, bringen neue Strukturen, neue Produktionsabläufe, neue Führungsverantwortliche, neue Aufgabenschwerpunkte u.a.m. mit sich. Die Handelnden können sich jedoch noch nicht auf eingespielte informelle und formelle Muster oder gar Routinen beziehen (es sei denn, sie greifen auf bisher Gewohntes zurück). Neue Muster existieren noch nicht, sie müssen sich erst entwickeln. Das geschieht über gemeinsam geschaffene und etablierte Spielregeln, Prämissen, Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen.

Führung wird sich damit befassen, inwieweit die reorganisierten Strukturen und Prozesse es ermöglichen, ihre Nachhaltigkeits-bezogene Verantwortlichkeit im Tagesgeschäft tatsächlich leben zu können.​ Für Personen, Rollen und Beziehungen wird es neue Gewichtungen geben. Was braucht es, was behindert, welche Möglichkeiten gibt es überhaupt?

Eine besondere Herausforderung in solchen noch ungeformten oder wenig geformten Abläufen und Verhaltensmöglichkeiten ist das Phänomen der Kontingenz: Führungsverantwortliche sehen sich konfrontiert mit der Möglichkeit und zugleich Notwendigkeit, aus mehreren Alternativen auswählen zu können und zu müssen. Sie müssen eine Selektion treffen. Damit scheiden Alternativen aus, die ebenfalls möglich und nützlich gewesen wären.
Nahezu jedes Vorgehen, Priorisieren, Verhalten, Entscheiden „kann so“, „oder anders“, oder „noch ganz anders“ getan werden. Selbst wenn auf bisher gewohnte Entscheidungs- oder Kommunikationsmuster zurückgegriffen wird, ist auch das bereits eine Selektion.

In einem stetigen Kreislauf von Aktion und Reflexion wird man sich immer wieder auf das jeweilige und gemeinsame Vorgehen verständigen müssen – auf Kriterien und Prämissen für Entscheidungen, auf Kommunikationsformen, auf Zeitrhythmen und Inhalte.

Transformation statt begrenzter Veränderung

Transformation ist mehr als Veränderung. Sie geht darüber hinaus, eine weitere Variation des Bestehenden zu sein. Transformation ist vielmehr ein grund-legender Wandel, ein Prozess der Entwicklung in etwas Neues hinein.
Auf solch einem Weg wird man sich zwischen dem Bisherigen/Gewohnten und dem Neuen, das noch nicht ist, bisweilen etwas verloren oder desorientiert fühlen. Man wird es phasenweise als – mehr oder weniger – chaotisch erleben.

Als Führungsverantwortliche, einzeln oder im Team, ist man insbesondere zu Beginn einer Transformation bemüht darum, neue hilfreiche Vorgehensweisen und Strukturen zu entwickeln, während man gleichzeitig bereits „funktionieren“ muss, als wenn es diese Klärungen bereits gegeben hätte. Fühlt sich ebenfalls verwirrend bis chaotisch an.

Ungeduld und Spannung

Das noch nicht Eingespielte, das Ungewisse führt – verständlicherweise – zu Ungeduld und Spannung. Gedanken und Gespräche sind teilweise stark geprägt von Fragen wie: „Müssten wir unsere Fragen nicht viel konkreter klären?”, „Lasst uns endlich loslegen, ich kann es kaum erwarten!”, „Wie lange halten wir diese Unsicherheit aus, was sagen wir unsren Mitarbeitenden?”, „Ich glaub, ich schaffe das nicht.“ „Wir müssen effizienter sein! Die Kunden erwarten von uns den gewohnten Service.” … Ergänzen Sie selbst!

Der Wunsch nach Sicherheit – durch klare Strukturen, Kriterien, Prämissen – ist groß. Auch das ist sehr verständlich!
Aber: gewohnte Sicherheiten ‚spießen‘ sich mit Veränderung, mit Agilität, deren kreatives Moment ja u.a. die Ungewissheit ist. Ungewissheit, Unsicherheit als Motor und Inspiration für die Suche nach Alternativen.

Zu frühe Festlegungen in einer Transformation kappen einen Entwicklungs- oder Konstituierungsprozess. Neuer Wein in alten Schläuchen? Der schale Geschmack des Ausgedienten mischt sich überall hinein – und nimmt die Lust am kreativen Entwickeln.

Neues Spiel – neues Spielfeld

Führung muss sich darüber verständigen und aushandeln, welche Strukturen, Muster, Prämissen etc. sich auch jetzt bewähren würden, welche (Entscheidungs-)Kriterien wovon (Sinn, Strategie, Ressourcen, definierten Zielen, etc.) abgeleitet werden können bzw. müssen – ohne sicher sein zu können, dass diese für die zukünftigen Situationen auch passen.
Ein sich neu „formierender“ Bereich oder eine solche Abteilung befinden sich in einem agilen Umfeld. Das bisherige Zusammenspiel ist in Bewegung – sowohl innen und als auch außen. Daher tun Führungsverantwortliche gut daran, sich das Spielfeld offen zu halten. Das bedeutet, Handlungen, Verhaltensweisen und Spielregeln experimentell zu erproben, Wirkungen in Beobachtung zu halten, zu reflektieren und sich darüber auszutauschen. Entscheidungen zu treffen und im Kreislauf beobachten > reflektieren > bewerten jeweils wieder neu zu entscheiden.

Ungewissheiten als ‚treue‘ Begleiter

Sich als Führungsverantwortliche in Momenten oder Phasen von Ungewissheit und Unsicherheit auf Fach- und Inhaltsthemen zu konzentrieren, ist ein ebenso verbreitetes wie menschliches Verhalten. Es dient dem Wunsch nach Sicherheit und Stabilisierung. Verständlich, aber nur bedingt hilfreich.
Hilfreich insofern, weil es beruhigt und somit Kopf und Herz klärt und wieder öffnet. Die stressbedingte Begrenzung unseres Denkens als auch des Fühlens löst sich.
Diese erholsame Beruhigung wird jedoch meist zu früh beruhigen (siehe oben), ohnehin nur kurzfristig und an den falschen Stellen: denn sie resultiert nicht aus der Bearbeitung der „verunsichernden“ Themen und Fragen.

Hilfreicher und nachhaltiger wird es sein, diesen Moment der (gefühlten) Stabilisierung zu reflektieren, um sicherzustellen, ob man gerade gewünschte Verhaltens- und Kommunikationsweisen, sinnvolle Prämissen, tragbare Strukturen etc. entwickelt. Oder ob man unbedacht tradierte und gewohnte Muster erneut festigt.

Es gilt zu unterscheiden, wo Sicherheit oberste Priorität hat, und wo es bewusste Schritte in die Ungewissheit braucht, um aus Veränderung eine gewünschte und nachhaltige Transformation zu entwickeln.

Praxis-Tipp:

Wenn diese Überlegungen Sie angeregt oder auch irritiert haben, tauschen Sie sich im Führungs-Team offen und neugierig zu folgenden Reflexions- und Diskussionsfragen aus:

  • Was habe ich/haben wir verstanden, wo gehen wir mit? Was irritiert mich/uns, was verstehen wir nicht, was sehen wir anders?
  • Welche gewohnten Muster (in Kommunikationsverhalten, Entscheidungsfindung, Rollenzuschreibung/-übernahme) hindern uns am meisten an einer Transformation? Was halten wir damit fest?
  • Welche (neuen) Formen des Feedbacks, der Kommunikation ermöglichen ein unternehmensweites Verständnis von Nachhaltigkeit?​
  • Von welchen Bildern (inneren Überzeugungen, Mindsets, Werten…) zu unseren Nachhaltigkeitsthemen gehen wir – Mitarbeitende und vor allem auch wir Führungsverantwortliche – aus? Inwieweit begreifen wir uns als Teil nachhaltigen Handelns?
  • Worauf müssen wir in unserer Funktion als Führungsverantwortliche JETZT mit höchster Aufmerksamkeit achten? Was versprechen wir uns davon?

Viel Freude bei Ihren Beobachtungen und Entdeckungen!